Emotionaler Abschied: Heimleiterin Gisela Gerlach-Wiegmann hatte im Haus St. Martin am Mittwoch ihren letzten Tag
Bei der offiziellen Übergabe der Hausleitung am Dienstagnachmittag versprach Gisela Gerlach-Wiegmann ihrer Nachfolgerin Linda Agiri: „Mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhalten Sie ein Pfund an Kompetenz und Zusammenhalt.“ Am heutigen Mittwoch hatte die 64-Jährige im Haus St. Martin zum letzten Mal Dienst. Nun geht sie in den Ruhestand.
Ende 2020 ist der Umzug des Seniorenheims in den Neubau auf dem Nachbargrundstück vorgesehen. Die Planungen hat Gisela Gerlach-Wiegmann während ihrer zehn Jahre als Heimleiterin durchgehend begleitet: „Intensiv wurde es erst in den letzten drei Jahren. Und es hat Freude gemacht, dabei mitzuarbeiten. Endlich wurde der Neubau konkret.“ Schon als sie vor zwölf Jahren – zunächst als Pflegedienstleiterin – an das Haus St. Martin kam, hieß es, dass man bald umziehen würde. Bis die Finanzierung für das Mammutprojekt stand, der Grundstückstausch geregelt war und alle planerischen Hürden aus dem Weg geräumt waren, hatte es aber noch gedauert.
„Natürlich hätte ich den Umzug gerne noch als Heimleiterin miterlebt“, gibt die Dortmunderin zu. „Aber ich bin ja nicht aus der Welt. Ich werde die Kontakte ins Haus St. Martin halten und sicher bei der Einsegnungsfeier dabei sein“, ist sie überzeugt.
Und was viel wichtiger ist: Organisatorisch ist das Mitarbeiterteam längst schon auf die Zukunft eingestellt. Gisela Gerlach-Wiegmann erklärt: „Die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner haben wir ja schon reduziert und den Kapazitäten des Neubaus angepasst. Ebenso haben wir die Teams für künftig zwei Wohnbereiche umgestellt, Wohnbereichsleitungen und Stellvertretungen festgelegt. Das hat alles wunderbar geklappt und uns als Mannschaft noch mehr zusammengeschweißt“.
Ein Pfund dieser „Mannschaft“ ist auch, dass viele langjährige Fachkräfte dabei sind. Das ist Linda Agiri schnell aufgefallen. Sie sagt: „Das spricht eindeutig für dieses Haus.“ Ihre Vorgängerin Gisela Gerlach-Wiegmann betont: „Manche sind schon ewig und drei Tage dabei. Wer beruflich einmal hierher kam, ist oft geblieben. Dabei gelingt es uns aber nach wie vor, auch junge Kolleginnen und Kollegen nach ihrer Ausbildung an uns zu binden.“
„Was wir vorleben, können wir weitergeben.“
Ein entscheidender Faktor sei dafür die gute Stimmung im Haus: „Wir sind hier sehr fröhlich. Und meine Überzeugung ist: Wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen, strahlt das auf die Senioren aus. Was wir vorleben, können wir weitergeben. Wir wollen hier mit Freude zur Arbeit gehen.“
Gisela Gerlach-Wiegmann ist das schon äußerlich anzusehen: Meist ist sie farbenfroh gekleidet: „Ich bin halt bunt. Schwarz-weiß geht bei mir nicht.“
Bunt und fröhlich hätte sie gerne auch ihren Abschied gefeiert. DJ André, der schon ihre Einstiegsfeier im Haus St. Martin musikalisch begleitet hatte, war schon bestellt. „Aber da hat uns Corona ja einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Und trotzdem waren viele Abschiedsmomente sehr emotional und intensiv.
„Das Mitarbeiter-Team und die Senioren haben mir unfassbar originelle Geschenke gemacht“, berichtet die angehende Ruheständlerin. So habe sie einen bunt lackierten Rollator bekommen, dessen Körbchen mit Blumen bepflanzt war. Der wurde im Badezimmer eines Bewohners gelagert und blieb bis zur Geschenkübergabe versteckt. „Der sieht total cool aus. Jetzt hängt er schon an der Seitenwand unseres Balkons“, lacht Gisela Gerlach-Wiegmann.
Außerdem hat eine Pflegefachkraft mit Bewohnerinnen und Bewohnern ein Bild im Stile des Künstlers Keith Haring gemalt. Andere hatten der scheidenden Heimleiterin einen Lebensbaum gestaltet. „Das war alles sehr berührend. Und so gerne hätte ich sie noch einmal alle gedrückt. Aber das geht ja zurzeit leider nicht.“
Angefangen als Pflege-Revisorin
So abwechslungsreich und bunt wie ihre Kleidung und die Abschiedsgeschenke war auch die Zeit, die die Heimleiterin im Haus St. Martin mitgeprägt hat. Wilfried Weeke, langjähriger Leiter der Martinus ambulanten Dienste, wusste bei der Verabschiedung im kleinen Kreis am Dienstagnachmittag noch genau den Tag zu nennen, an dem Gisela Gerlach-Wiegmann „in sein Leben trat“: Das war der 1. Juli 2015. Zwar hatten die beiden nicht geheiratet, doch bildeten sie im Martinus-Netzwerk dienstlich ein gut harmonierendes Team.
Im Juni 2015 hatte Gisela Gerlach-Wiegmann ihre Arbeit als Pflege-Revisorin bei der Seniorenhilfe SMMP aufgenommen. Wilfried Weeke schrieb bei den Sitzungen immer die Protokolle. Als die Stelle der Pflegedienstleitung im Haus St. Martin frei wurde, fragte sie der damalige Geschäftsführer Ludger Dabrock, ob sie sich diese Aufgabe vorstellen könne. „Westerholt ist Ruhrgebiet. Hier erlebte ich ein wunderbares Team. Das passte“, erinnert sich die 64-Jährige. Und als der damalige Leiter Thomas Schubert das Haus verließ, rückte sie schon zwei Jahre später zur Einrichtungsleiterin auf.
Als Kneipp-Einrichtung zertifiziert
Gisela Gerlach-Wiegmann blickt auf viele schöne Ereignisse und Entwicklungen zurück: „Wir hatten hier ein olles Haus. Also mussten wir mit anderen Dingen punkten.“ Dazu gehört sicher die Zertifizierung zur Kneipp-Einrichtung im Jahr 2014. Das Haus St. Martin war das erste Seniorenheim in Nordrhein-Westfalen, das diese Auszeichnung erhielt. „Wir haben hier viel mit Kneipp-Anwendungen gearbeitet. Mein Traum ist ja, dass wir auch den Garten des Neubaus nach Kneippschen Grundsätzen gestalten können.“ Diese Anregung nimmt nun ihre Nachfolgerin Lina Agiri mit in die weiteren Planungen.
Auch das Event-Kochen mit Küchenmitarbeiterin Gabi Küpper in „Gabis Koch-Studio“ wurde zum Renner. Und darüber hinaus hat das Team im Haus St. Martin immer gerne Tiere in den Alltag einbezogen. „Ob es die Therapieschweine Felix und Rudi waren, unsere dreimonatige Aktion ‚Rent a Huhn‘, oder der Pudelzirkus. Tiere fanden bei unseren Bewohnerinnen und Bewohnern immer besonders viel Anklang“ weiß Gisela Gerlach-Wiegmann.
Auch die spirituelle Ausrichtung durch den katholischen Träger habe immer eine große Rolle gespielt. „Einmal jährlich fuhren wir mit 20 bis 25 Senioren nach Kevelaer. Das war für viele ein Höhepunkt.“
Ordensgemeinschaft gab Rückhalt
Besonders beeindruckt hat die langjährige Heimleiterin auch die einwöchige Fahrt mit den leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den SMMP-Einrichtungen und Diensten anlässlich des Ordensjubiläums im Jahr 2007 zu den Gründungsorten der Gemeinschaft in die Normandie: „Die Begegnung mit den französischen Schwestern, unterwegs auf den Spuren der Ordensgründerin, der Besuch der Soldatenfriedhöfe – das waren sehr emotionale Erfahrungen.“
Überhaupt, die Ordensschwestern: „Als Protestantin hatte ich vor ihnen anfangs vielleicht sogar zu großen Respekt. Aber wenn ich an Schwester Aloisia, Schwester Adelgundis, Schwester Maria Ignatia und so viele andere denke, habe ich sie immer als lebensfroh und weltoffen erlebt. Das fand ich spannend. Und das hat mir gut getan. Für meine Arbeit und privat.“
Gerne engagierte sie sich deshalb auch in der Arbeitsgruppe für den Ehalt des Ordens-Charismas in den Einrichtungen und Diensten. Daraus gingen die Einführungstage für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller SMMP-Einrichtungen und Dienste hervor, die seit November 2019 stattfinden. „Mein Mann dachte manchmal schon, ich würde noch in den Orden eintreten“, lacht Gisela Gerlach-Wiegmann. Das tat sie zwar nicht. Doch will sie den Schwestern weiter verbunden bleiben.
Zeit für Reisen, die Familie und den Enkel
Schwester Maria Ignatia Langela aus dem Bergkloster Bestwig riet ihr erst vor wenigen Tagen in einem Telefonat: „Planen sie bloß nichts für Ihren Ruhestand. Lassen Sie diese Zeit auf sich zukommen. Sie ist viel zu spannend.“ Schwester Maria Ignatia muss es wissen, leitet sie seit ihrem beruflichen Ausscheiden als Schulleiterin schon seit zehn Jahren das Angebot für den Gästebereich des Bergklosters – „was ich mir nie vorgestellt hätte, aber doch eine ungeheure Erfüllung ist“, wie sie sagt.
Feste Pläne hat Gisela Gerlach-Wiegmann auch nicht. Aber doch viele Ideen: So will sie mit ihrem Mann die Zeit für Reisen nutzen und noch viel von der Welt sehen, Konzerte besuchen und Zeit mit ihrer Familie haben – vor allem mit ihrem zweieinhalbjährigen Enkel. Sie will mehr Sport treiben und nach längerer Zeit wieder mit dem Malen anfangen.
Das alles deutet darauf hin: Auch ihre Zukunft ist bunt.