Vor 100 Tagen wurde das Gebäude bezogen – Senioren und Pflegekräfte wissen Vorteile zu schätzen
Manfred Bischoff ist ein Kämpfer. Auf der Schachtanlage Westerholt war er zuständig für die Hauptförderung, Stromanschlüsse von 0,5 bis 5000 Watt waren sein Fachgebiet. Und auch im Ruhestand gab er noch Vollgas, bis ihn ein vierfacher Herzinfarkt ausbremste. Jetzt findet er im neuen Haus St. Martin wieder zu Kräften. An diesem Samstag vor genau 100 Tagen kehrte dort das Leben ein.
„Der Neubau ist schön hell. Und er bietet Raum. Hier kann ich mich bewegen und die vielen Angebote nutzen“, freut sich der 66-Jährige. Zumindest mit dem Rollator ist er schon wieder fix unterwegs. Monika Jaeschke, die eine ähnliche Krankheitsgeschichte hat und von einem Tag auf den anderen mit einer neuen Lebenssituation zurechtkommen musste, zollt ihrem Mitbewohner Respekt: „Auch ich war ja ehrgeizig, um wieder laufen zu lernen. Aber er lässt nie locker. Inzwischen habe ich Mühe, hinterherzukommen.“ Beide genießen im Haus St. Martin ihre neuen Freiheiten.
Es gibt Aufenthaltsbereiche mit Kamin, großzügige Wohnküchen, wo man sich aus dem Kühlschrank auch schon mal einen Joghurt holen oder am Kaffeeautomaten einen heißen Cappuccino aufbrühen kann. Manchmal backen die Seniorinnen und Senioren hier nachmittags gemeinsam Waffeln oder Kuchen. Die schönen Terrassen und der Garten, der jetzt angelegt wird, werden dann im Frühjahr zur Geltung kommen.
„Das alles sind Riesen-Vorteile, auch für uns Pflegekräfte“, sagt die Leiterin der Wohnbereiche 1 und 2, Katharina Maron. „Im alten Haus St. Martin gab es wenig Möglichkeiten, die Gruppen zu trennen. Hier aber können wir verschiedene Angebote gleichzeitig machen, bei denen wir die geistig Fitteren beispielsweise schon mal von den Dementen trennen, um auf ihre unterschiedlichen Bedürfnisse besser einzugehen.“
Renate Scherdel geht besonders gerne zum Bingo. Sie wohnt gleich im Nebenzimmer von Manfred Bischoff. Die 88-Jährige kam im vergangenen Jahr nach einem schweren Sturz zunächst zur Kurzzeitpflege in das alte Haus St. Martin. „Und da war ich so gut behandelt und aufgenommen worden, dass ich gesagt habe: Wenn ich mal in ein Heim muss, dann komme ich zu Euch“, strahlt sie die Betreuerin Maria Oreskou an, die sie gerade besucht.
Beide haben schon eine Corona-Infektion überstanden. Leider zog kurz nach dem Umzug in das neue Gebäude auch das Virus mit ins Altenheim ein. „Aber hier wurde sofort gehandelt. Mein Test fiel ausgerechnet einen Tag vor Heiligabend positiv aus und ich musste nach unten ziehen“, erzählt die Seniorin. Maria Oreskou erklärt: „Da hatten wir eine Isolierstation eingerichtet. Die Senioren zu betreuen, die dort eine Zeitlang bleiben mussten, war eine Herausforderung.“ Aber da sie zu Weihnachten ihre eigene Corona-Erkrankung schon überstanden hatte, ging sie in den Isolierbereich, um dort mit den Bewohnerinnen und Bewohnern gemeinsam zu lesen und zu spielen.
Neue Bewohner am Kamin kennengelernt
„Das tat gut“, ist Renate Scherdel noch immer dankbar, die selbst in dieser schwierigen Phase positive Erlebnisse hatte: „Da es den meisten von uns ja gar nicht so schlecht ging, haben wir uns abends am Kamin getroffen. So habe ich auch einmal andere Bewohnerinnen und Bewohner kennengelernt.“ Ihre eigenen Kinder konnten sie an Weihnachten dagegen nicht besuchen – „aber sie haben mir mit einer Angel ihre Geschenke bis ans Fenster gereicht“, lacht sie über deren Einfallsreichtum.
Seit Anfang Januar nimmt sie wieder an vielen Angeboten im Haus teil. Neben den Bingo-Nachmittagen liebt Renate Scherdel vor allem die Quiz-Runden und die Gymnastik-Angebote.
Diese Angebote prägen das Leben im Haus St. Martin – im neuen Gebäude aufgrund des großzügigen Platzangebotes noch mehr als im alten. Betreuerin Jutta Heyden versammelt zu ihrem Gymnastik-Angebot beispielsweise regelmäßig um die 15 Bewohnerinnen und Bewohner in einem der großen Aufenthaltsräume.
„Wer möchte den Blitz übernehmen?“ fragt sie in die Runde, als die Senioren mit verschiedenen Musikinstrumenten ein Musikstück begleiten sollen. Aber die beiden Becken sind den meisten zu laut. Also übernimmt Jutta Heyden diesen Part des Gewitters selbst. Mit Rasseln, Schlagstöcken und Tamburin wirken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Runde fleißig mit.
Gewitter und Andacht
Nur 15 Meter weiter hält Schwester Brigitte Schmelter unterdessen mit acht Senioren eine kurze Andacht. In der gemütlichen Wohnküche bekommt man von dem fröhlichen Gewitter nebenan nichts mit. Zur Orgelmusik lädt Schwester Brigitte bei der Betrachtung eines Rembrandt-Bildes zum Nachdenken ein. „Noch schöner wird es, wenn wir dafür bald unsere Kapelle zur Verfügung haben“, sagt die Seelsorgerin. Die ist aber noch nicht ganz fertig und wird zurzeit als Raum für die Schnelltests benötigt. Alle Besucherinnen und Besucher, die ins Haus kommen, müssen dort zunächst noch auf das Corona-Virus getestet werden. Auch, wenn im Heim inzwischen fast alle Senioren und Pflegekräfte geimpft sind.
Und eine Etage tiefer lässt es sich Christel Petter gerade bei einer Handmassage gutgehen. Das Haus St. Martin ist bekannt für seine umfangreichen Kneipp-Anwendungen. Bereits 2014 wurde es als eins der ersten Seniorenheime in Nordrhein-Westfalen als Kneipp-Einrichtung zertifiziert.
„Das ist wunderbar. Das tut wirklich gut“, lächelt Bewohnerin Christel Petter Betreuerin Heike Christiansen an. Die Mitarbeiterin hat ihr gerade eine Viertelstunde lang die Hände massiert und bedankt sich für das Lob. Sie sagt: „Ich staune selbst manchmal, was das bei den Menschen bewirkt. Bei denen, die spastisch verkrampft sind, spürt man sogar, wie sich die Verspannungen lösen.“
Mehr Platz für die Pflege
Wohnbereichsleiterin Katharina Maron, freut sich, dass jetzt an so vielen Stellen des Hauses ganz unterschiedliche Angebote möglich sind. „Im alten Haus war alles viel enger. Da hatten wir für jeweils 40 Bewohnerinnen und Bewohnern nur einen Aufenthaltsraum“, erklärt sie. Auch gebe es im neuen Haus viel mehr Rückzugsmöglichkeiten wie die Kamin-Ecken. „Und dadurch, dass sich das ganze Leben jetzt auf einer Ebene abspielt, haben wir als Pflegekräfte kürzere Wege und sind viel präsenter.“ Schon von ihrem verglasten Dienstzimmer aus behalten sie und ihre Stellvertreterin Katharina Peters jetzt immer einen guten Überblick. Von hier aus können sie den Hauptflur und den großen Aufenthaltsraum einsehen.
Schließlich sei auch die Pflege viel angenehmer: „Wenn ich zum Beispiel an die großzügigen Bäder denke. Da stellte uns die Enge im alten Haus doch manchmal vor große Herausforderungen.“ Neue Schränke, neue Möbel, großzügigere Schreibtische und Lagerflächen – „all das entlastet uns natürlich bei der Arbeit.“ Auch müssten die Pflegekräfte jetzt nicht mehr bis zu sechs Etagen tiefer in den Keller, um sich umzuziehen. „Und zu den Umkleiden gehören jetzt sogar Duschen“, freut sich Katharina Maron.
Inzwischen laufen im Aufenthaltsraum nebenan die Vorbereitungen für das Mittagessen. Das ist jetzt ebenfalls ganz anders organisiert. Die Bewohnerinnen und Bewohner essen in verschiedenen Bereichen, aufgeteilt in mehrere Gruppen. „Und wir müssen ihnen nicht mehr alles fertig portionieren. Sie dürfen sich jetzt selbst das nehmen, was sie wollen“, erläutert die Wohnbereichsleiterin. Auch das habe mit dem großzügigeren Raumangebot zu tun. „Im alten Haus gab es dafür nicht genügend Bewegungsfreiheit.“
Heute gibt es als Vorspeise eine klare Tomatensuppe und als Hauptgang alternativ einen Gemüse-Eintopf mit Frikadellen oder Hähnchennuggets mit einer Geflügelrahmsauce, dazu Fingermöhrchen und Kartoffelpüree. Als Nachtisch wird eine Mascapone-Creme mit Mandarinen gereicht
Üben fürs Kegeln
Schon jetzt erkundet Monika Jaeschke gemeinsam mit Manfred Bischoff das Außengelände. „Wir haben eine schöne Bank gefunden, wo wir gerne eine Zeitlang bleiben“, sagt der 66-Jährige, der mit seiner Orthese am rechten Bein fleißig Gehen übt. „Zu gerne würde ich ja noch einmal meinen alten Mazda 3 fahren“, lacht der MSV Duisburg-Fan – „ob das noch mal was wird?“
Und Renate Scherdel hofft, dass sie noch mehr Kraft in ihren Armen zurückgewinnt. Einmal wöchentlich kommt der Physiotherapeut. Und Betreuerin Jutta Heyden übt ebenfalls regelmäßig mit ihr. Dann kann die 88-Jährige vielleicht bald wieder kegeln. Eine echte Kegelbahn gibt es im Haus St. Martin zwar nicht. Aber virtuell wäre das möglich: mit einer Spielkonsole und einem Beamer. Selbst darüber wird im Haus St. Martin 100 Tage nach dem Umzug schon nachgedacht. Ausreichend Platz wäre jetzt jedenfalls vorhanden.