80 Bewohnerinnen und Bewohner sind am Donnerstag gut im neuen Haus St. Martin angekommen – eine Seniorin nahm einen Umweg
„So Frau Weiß. Ich schiebe Sie jetzt in den Aufzug. Wir sehen uns dann unten wieder“, sagt Patrick Köster zu der 74-Jährigen Bewohnerin des Hauses St. Martin. Und dann muss sich der Altenpflegehelfer beeilen. Durch das Treppenhaus eilt er mit FFP2-Maske fünf Etagen nach unten ins Kellergeschoss, um die Seniorin wieder in Empfang zu nehmen und sie dann in den Neubau zu bringen. Denn an diesem Donnerstag zieht das Seniorenheim um.
80 Bewohnerinnen und Bewohner werden bis zum späten Nachmittag in ihre neuen Zimmer geführt. Abends um 19 Uhr kommt auch das letzte Bett an. „Alle haben den Umzug gut überstanden“, freut sich Heimleiterin Linda Agiri. Unfallfrei.
Nur war am frühen Morgen im alten Haus noch eine 86-jährige Hausbewohnerin in ihrem Bad gestürzt. Vielleicht schon vor Aufregung. Sie wurde mit einem Krankentransport ins Gertrudis-Hospital gebracht und untersucht. Aber außer Prellungen hatte sie nichts. Daraufhin brachte sie der Krankenwagen wieder zurück – allerdings zum neuen Haus. „Sie kam ganz fröhlich hier an und hat halt einen Umweg genommen“, sagt Pflegedienstleiterin Christiane Kasperczak erleichtert. Das war der Umzug der etwas anderen Art.
Renate Weiß hat die Reise mit dem Aufzug indessen unbeschadet überstanden. Patrick Köster zieht sie mit ihrem Rollstuhl aus dem Aufzug. Und dann verlassen sie das alte Gebäude. Für immer.
Aufgeteilt in Zweier-Teams
Aufgeteilt in Zweierteams organisieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Pflege nacheinander den Umzug aller Seniorinnen und Senioren in das neue Seniorenheim. Alles ist akribisch geplant. Als Diana Rohrig und Sandra Weiers beispielsweise die Bewohnerin Berta Droste für den knapp 300 Meter langen Weg zwischen sich nehmen, ist die 87-Jährige schon ganz aufgeregt: „Na, da bin ich mal gespannt, was mich erwartet.“ Sie hat ihr neues Zimmer noch nicht gesehen.
Ein paar Minuten später wird sie – wie alle Bewohnerinnen und Bewohner an diesem Tag – im neuen Haus mit Jubel empfangen. Altenpflegerin Maria Oreskou bietet ihr am Eingang einen Becher Sekt als Willkommensgruß an. Berta Droste schmunzelt. Und sie staunt noch mehr, als Diana Rohring sie mit einem Rollstuhl in ihren Wohnbereich bringt: „Gucken Sie mal, Frau Droste. Hier haben Sie jetzt eine eigene Wohnküche. Da können Sie zum Beispiel mal mit den anderen Plätzchen backen.“
Neue Lieblingsorte
Dann dreht sie sich mit ihr zu der anderen Seite: „Und hier ist ein Getränkespender. Da dürfen Sie jetzt jederzeit frisches Wasser holen. Mit oder ohne Kohlensäure.“ Und schließlich schiebt sie sie durch einen der breiten Gänge in einen anderen Aufenthaltsbereich mit neuer, gemütlicher Couch-Garnitur. Diana Rohring beugt sich zu Berta Droste hinab, legt die Hand auf ihre Schulter und meint: „Das ist jetzt schon mein persönlicher Lieblingsort. Und sicher ein Grund, mal öfter aus dem Zimmer zu kommen, oder?“ Berta Droste lächelt. Und nickt.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind selbst genauso begeistert wie die Seniorinnen und Senioren. Diana Rohrig ist das anzusehen. Eigentlich hat sie in dieser Woche Urlaub. „Aber es ist doch klar, dass ich heute dabei bin. So einen Tag lässt man sich doch nicht entgehen.“ Bis vor ein paar Jahren hat die Mutter dreier Kinder noch in der Gastronomie gearbeitet, weil sich das mit den Arbeitszeiten ihres Mannes und der Familie gut vereinbaren ließ. Erst dann kam sie auf die Idee, in die Altenpflege zu wechseln. „Das ist einfach großartig. Hier habe ich meine Berufung gefunden. Im Haus St. Martin haben wir einfach ein tolles Team.“
Großartiger Zusammenhalt
Den Zusammenhalt lobt auch Linda Agiri: „Ganz viele haben in dieser Phase auf freie Tage und Urlaub verzichtet. Das ist großartig. Und anders wäre es wahrscheinlich auch gar nicht gegangen. Denn bei diesem Umzug waren wir komplett auf uns gestellt.“
Hatten bei den Umzügen der Seniorenheime Haus Maria in Geseke und St. Josef in Wadersloh vor einigen Jahren zahlreiche Angehörige, das THW und die freiwillige Feuerwehr mitgeholfen, blieb diese Unterstützung dem Haus St. Martin aufgrund der Corona-Pandemie verwehrt. Lediglich half ein externes Umzugsunternehmen, die schweren Pflegebetten hochkant in den Lastenaufzug des alten Hauses zu stellen und dann in den Neubau zu bringen – weshalb für die Bewohnerinnen und Bewohner an diesem Tag nur der kleine Aufzug blieb.
Umzugskartons selbst gepackt
„Die Umzugskartons haben vor allem unsere Pflegekräfte gepackt. Auch haben sie zusammen mit unseren Haustechnikern die Schränke und Sitzmöbel, die unsere Senioren aus ihren alten Zimmern mitnehmen wollten, mit Rollwagen in den Neubau gebracht“, zählt Linda Agiri auf. Und nicht zuletzt mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre eigenen Büros aus- und wieder einräumen.
Als Wohnbereichsleiterin Katharina Bodden die letzten Akten aus dem Regal ihres alten Büros zieht, gesteht sie: „Es ist nicht ganz einfach, in diesem Durcheinander den Überblick zu behalten.“ Doch ein paar Stunden später sitzt sie mit Christiane Kasperczak im Treppenhaus des neuen Hauses und macht Pause. Da ist das Gröbste bereits überstanden: „Bisher hat alles hat gut geklappt. Wir haben das ja auch minutiös geplant.“
Und jetzt kommt auch Berta Droste in ihrem neuen Zimmer an. Sie staunt: „Ach, da hängen ja sogar schon meine Bilder.“ Der Schrank ist aufgebaut, die Sitzmöbel stehen am richtigen Platz und auch das Bett wird gerade schon bezogen. „Und gucken Sie sich mal das Bad an. Keine lästige Duschtasse mehr. Alles ebenerdig. Viel größer und viel heller“, erklärt Diana Röhig. Die 87-jährige wirkt glücklich: „Ja, ja. Und hier bleibe ich jetzt für immer?“ So richtig kann sie es noch gar nicht fassen.
Wohnbereiche schon vorher angepasst
Ihre Nachbarn sind dieselben wie im alten Haus St. Martin. „Wir haben die Wohnbereiche ja schon vor einem Jahr umstrukturiert, damit sie jetzt in der Zusammensetzung so bleiben können“, erläutert Christiane Kasperczak. Da müssten sich die Seniorinnen und Senioren also nicht umgewöhnen.
Auch die Küche zieht an diesem Tag um. Zum ersten Mal wird an den neuen Geräten gekocht. An diesem Tag allerdings nicht gleich ein dreigängiges Menü – wie sonst. Zum Umzug gibt es Nudeln mit Bolognese-Sauce. 40 Bewohnerinnen und Bewohner essen mittags um 12 Uhr schon im neuen Haus. 40, die erst nachmittags umziehen, noch im alten Haus. Das macht die Logistik an diesem Tag nicht einfacher.
Stephan Schink, Geschäftsführer der SMMP Servicedienste, sowie die Bereichsleiter für die Reinigung und das Catering, Michaela Bertelt und Michael Schäfer, sind an diesem Tag ebenfalls vor Ort und packen mit an. Küchenleiter Andreas Pieper muss zwischendurch auch noch seinen Computer aus dem Büro im alten Haus ins neue holen: „Gleich kommt Herr Ahrens von Connext. Der schließt den Rechner an.“ Und im Nebenraum bauen Techniker wieder die im alten Haus tags zuvor abmontierte Spülstraße auf. „Im Moment sieht das noch alles etwas wild aus. Aber es wird“, ist Christoph Höller optimistisch.
5758 Meter Kabel
Er ist für das Bauwesen der Ordensgemeinschaft und ihrer Einrichtungen und Dienste verantwortlich. Der Neubau des Hauses St. Martin war während er vergangenen eineinhalb Jahre ein Schwerpunkt seiner Arbeit. „Das ist schon ein gigantisches Projekt“, sagt er. Und er belegt das an Zahlen: Das neue Gebäude hat eine Nutzfläche von 4270 Quadratmetern. Allein das Rohleitungssystem für Wasser und Heizung ist 7150 Meter lang. Insgesamt wurden 5758 Meter Kabel verlegt.
Innen ist jetzt alles fertig. „Vor einer Woche sah das noch nicht so aus. Da haben überall noch Handwerker gearbeitet“, sagt Linda Agiri. Aber inzwischen hängen sogar alle Bilder. Die Beschilderung ist angebracht. Und alle Möbel stehen am richtigen Platz. Und am Morgen des Umzuges waren schließlich auch die Kühlschränke in den Wohnküchen einsatzbereit.“
„Großartiges geleistet“
Von der vielen Arbeit im Hintergrund bekamen die Bewohnerinnen und Bewohner gar nicht viel mit. Aber manche ahnen es. Als der Redakteur der Hertener Allgemeinen durchs Haus geht und die Bewohnerinnen und Bewohner befragt, sagt die 96-jährige Elise Langbein gerührt: „Eins möchte ich betonen: dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier Großartiges geleistet haben. Wir sind alle alt und krank. Deshalb hatten wir schon etwas Angst. Aber der ganze Umzug war vorbildlich organisiert.“
Da zeigt sich auch Linda Agiri ganz gerührt: „Danke. Es tut gut, das zu hören.“ Und während die meisten Seniorinnen und Senioren in der Nacht zuvor vor Aufregung noch unruhig geschlafen hatten, kehrt am ersten Abend schnell Ruhe ein.
Elise Langbein, Berta Droste und Renate Weiß schlafen bald schon tief und fest.
Alle, die beim Umzug geholfen haben, wurden vorher per Schnelltest auf Covid19 untersucht. Alle Ergebnisse waren negativ.